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Experten-Kommentar: Fachfremd in GWB

Schulpilot Wirtschaftsbildung, Bildungssystem, Finanzbildung

Wer fachfremd unterrichtet, braucht die richtigen Unterstützungsangebote – von Gregor Kainz

Vor knapp zehn Jahren kam ich als Quereinsteiger über Teach For Austria ins Klassenzimmer. Aus eigener Erfahrung weiß ich daher, dass es gerade zu Beginn oft herausfordernd ist, Inhalte und Methoden eines ‚neuen’ Unterrichtfachs zu durchdringen. Und damit bin ich nicht allein. Denn insbesondere an Mittelschulen ist fachfremder Unterricht schon seit Längerem gängige Praxis.  

Aktuell erreicht die Pensionierungswelle bei Lehrer:innen – österreichweit, über alle Schulformen hinweg – ihren Höhepunkt. Auch in den kommenden Jahren wird sich aufgrund der Altersstruktur des Lehrpersonals der Fachkräftemangel im Bildungsbereich weiter verschärfen. Das stellt Schulleitungen und Pädagog:innen gleichermaßen vor große Herausforderungen.  

In diesem Zusammenhang wird gerne auch fachfremder Unterricht als ein Mittel gegen den Lehrer:innenmangel genannt und gleichzeitig auch als Symptom davon. Im engeren Sinne ist mit ‚fachfremd‘ gemeint, dass Lehrer:innen Fächer unterrichten, die sie nicht auf Lehramt studiert haben, z.B.: jemand hat Englisch und Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung studiert, wird dann aber auch im Fach Biologie und Umweltbildung eingesetzt, weil diese Stunden am Schulstandort gerade offen sind. Breiter gedacht, umfasst ‚fachfremd‘ auch Quereinsteiger:innen – also Personen, die aus anderen Berufen bzw. Studienhintergründen in den Schuldienst wechseln, um insbesondere Mangelfächer abzudecken, z.B. im MINT-Bereich.  

Wie weit verbreitet das Phänomen des fachfremden Unterrichts mittlerweile ist, merken wir als Stiftung für Wirtschaftsbildung in unserer Arbeit mit Schulen: 75 Prozent der Mittelschulen in unserem Schulpiloten gaben im Schuljahr 2022/23 an, dass bei ihnen am Standort das Fach Geographie und Wirtschaftskunde (unter anderem) fachfremd unterrichtet wurde. Zum Vergleich: Bei unseren AHS-Pilotschulen waren es genau 0 Prozent.  

Fachfremd zu unterrichten, ist keine leichte Aufgabe. So berichten uns immer wieder fachfremde Lehrer:innen, dass sie sich damit überfordert und auch alleingelassen fühlen – was sich unmittelbar auf die Unterrichtsqualität auswirken kann:    

  • Der Unterricht fokussiert primär auf die bloße Reproduktion von Inhalten (Auswendiglernen) statt auf Reflexion und Problemlösung (Kompetenzerwerb).  
  • Man klammert sich am Lehrbuch fest, aus Angst etwas falsch zu machen, und vermeidet komplexe Fragestellungen und vielfältige Methoden.  
  • Es geht schlichtweg die Motivation verloren: Man möchte diese fremden Fächer loswerden, um wieder die „eigenen“ Fächer zu unterrichten.  

Gleichzeitig lernen wir auch Positivbeispiele kennen, in denen Lehrer:innen die Chancen ergreifen, die sich durch fachfremden Unterricht bieten: 

  • Sie unterrichten mehr Fächer in ein und derselben Klasse, was für den Beziehungsaufbau mit den Schüler:innen förderlich ist – das wiederum wirkt sich erwiesenermaßen positiv auf deren Lernerfolg aus. 
  • Es ergeben sich mehr Möglichkeiten, um fächervernetzten Unterricht zu gestalten, z.B. in Form von Projektarbeiten in zwei oder mehr Fächern.  

Doch um diese Chancen auch tatsächlich wahrnehmen zu können, braucht es passende Unterstützungsangebote für die Zielgruppe der fachfremden Lehrer:innen: Regelmäßige Hospitations- und Reflexionsmöglichkeiten, Coaching, Supervision oder auch Fort- und Weiterbildungsangebote abgestimmt auf die Bedürfnisse von fachfremden Lehrer:innen. Nur so kann eine kontinuierliche Professionalisierung – und damit eine langfristig hohe Unterrichtsqualität – gewährleistet werden. 

Im Themenkomplex der wirtschaftlichen Bildung leisten wir als Stiftung hier schon seit Längerem einen Beitrag mit unseren niedrigschwelligen Angeboten wie den Aktionstage-Schecks oder auch unserer Sammlung an kostenfreien, qualitätsgeprüften Lehr- und Lernmaterialien auf www.wirtschaft-erleben.at.  

Unser neuestes Angebot ist der Crashkurs ‚Geographie und wirtschaftliche Bildung fachfremd unterrichten‘. Mit diesem 90-minütigen Online-Selbstlernkurs wollen wir fachfremden Lehrer:innen und auch Quereinsteiger:innen einen Einstieg in die Fachdidaktik von Geographie und wirtschaftliche Bildung (Sekundarstufe 1) ermöglichen. Der Kurs entstand in Kooperation mit www.loern.at und ist dort kostenfrei verfügbar.  

Solange fachfremde Lehrer:innen zum Einsatz kommen, muss sichergestellt werden, dass sie diesen Unterricht kompetent, innovativ und mit Freude gestalten können. Zeitgemäße, zielgruppengerechte  Unterstützungsangebote sind dafür ein wesentlicher Baustein.   


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